Die Legende
Ein kurzer Abriss einer langen Geschichte Werfen Sie mal einen Blick auf das steinerne Standbild (oder auf unser Logo): So kennt man ihn noch aus seinen besten Tagen – stolz, machtbewusst, fast ein wenig trotzig, "ein Mann, mehr wie ein Heer". Heinrich von Plauen entflammt Romantikerherzen und begeistert Historiker, um ihn drehen sich etliche Romane und zwei Schauspiele, selbst Wagner-Spross Siegfried konnte sich der hehren Story nicht entziehen und schrieb eine Oper darüber.
Seitdem ist allerdings viel Gras gewachsen. Zumindest in Plauen: Die krude Nazi-Mythologie hatte ja eine Schwäche für starke Typen, und so prangte das Heinrich-Konterfei auch auf einer Bronzemedaille für "verdiente Persönlichkeiten", die 1943 ausgereicht wurde. Folgerichtig scherte sich dann gut 40 Jahre lang niemand groß um den Religionskrieger des Mittelalters. Was dazu führte, dass heute kaum noch ein Plauener Bürger präzise auf die Frage antworten kann, wer da mit Schwert und Schild aus Stein gemeißelt wurde. Schade eigentlich, denn wir sprechen hier über den weltpolitisch bedeutsamsten Vertreter der Stadt Plauen überhaupt.
Heinrich also. Der Name ist ein wenig aus der Mode gekommen, aber in früheren Herrscherkreisen war er durchaus beliebt. Bei den Vögten von Weida etwa, deren weitläufige Familie hier das Zepter in der Hand hielt. Wer die etwas verzwickte Ahnentafel studiert, bekommt also gleich eine ganze Reihe Heinrichs präsentiert.
Wir hätten da zum Beispiel:
- Heinrich I., Vogt von Plauen und Enkel von
- Heinrich dem Reichen, der vermutlich den ganzen Heinrich-Trend begründete;
- Heinrich VII., seiner imposanten Statur wegen auch Heinrich der Lange geheißen;
- Heinrich und Heinrich, seine beiden Söhne;
- Heinrich Reuß von Plauen, der 1331 als Komtur von Balga wirkt und fünf Jahre später in der zweiten Hierarchie-Ebene des Deutschritterordens agiert, als Gebietiger und Komtur von Mewe, sowie
- Heinrich von Plauen, Spross der jüngeren Reuß-Linie, der 1467 für drei Jahre Hochmeister der Bruderschaft wird.
Alles klar? Wir konzentrieren uns am Besten mal auf den langen Heinrich. Das 14. Jahrhundert liegt in seinen letzten Zügen, und der Vogt regiert den aufstrebenden Marktflecken Vicus Plawe. Von seinem gerade erst fertig gebauten Schloss genießt er einen fantastischen Blick auf das Städtchen, zu seinen Füßen murmelt die Syra in die Elster und im Hof spielen zwei kleine Heinrichs Fangen. Was soll nur aus den aufgeweckten Buben werden, denkt er sich und schaut gedankenverloren auf die Giebelfenster des Deutschen Ritterordens, mit den Turmspitzen von St. Johannis im Hintergrund. Beim geistlichen Militär steht die Familie in guter Tradition - siehe Heinrich Reuß von Plauen. Noch vor dem Mittagessen beschließt der Vogt, seine Jungs der Obhut der Ordensbrüder anzuvertrauen. Tugendhaft und streitbar sollen sie einmal sein, angesehene, ehrbare Teutonen.
1391 ist der ältere der beiden Heinrichs gerade etwas über 20 Jahre alt. Die Pferde dampfen aus ihren Nüstern, als er mit seinem jüngeren Bruder an der Seite des Markgrafen Friedrich von Meißen preußische Gefilde erreicht. Die Reiter befinden sich nun im Kerngebiet des Ordens: Von hier aus zogen einst die missionseifrigen Ritter gegen die Heiden zu Felde, und kühne Helden sind noch immer gern gesehen. Doch von der mittelalterlichen Kreuzfahrer-Romantik ist nicht mehr viel übrig geblieben. Zwar hält der Orden den Norden noch in eiserner Hand, sein Stern aber sinkt. Interne Machtkämpfe und Intrigen zerrütten das autoritäre Gefüge, die egoistischen Stände des Bürgertums emanzipieren sich vom Adel, die Hanse verfolgt ihre eigenen Interessen und im Osten zieht Kriegsgewitter auf. Bereits 1386 hat Jagiello von Litauen sein Volk christianisiert und sich mit dem Polen-König zu einem mächtigen Feind der Deutschen Ritter verbündet. Doch die sind längst viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und sehen dem Rüstungs-treiben tatenlos zu.
Die beiden Heinrichs machen also zunächst Karriere in der Verwaltung. Der Jüngere gerät dabei charakterlich etwas aus der Spur, gewalttätig und herrschsüchtig soll er gewesen sein. Er wird es bis zum Komtur von Danzig bringen. Der Ältere hingegen wird als willensstark und edelmütig beschrieben, lebt hart an der Grenze des Zölibats und gilt als politisch klug denkender Mensch. Er arbeitet zunächst als Komtur von Nessau und Pfleger zu Morin, 1407 dann wird er als Komtur von Schwetz eingesetzt.
Drei Jahre später ist es soweit. Jagiello und der Polenkönig lassen ihr Heer aufmarschieren. Die Ordenskrieger lachen spöttisch und wähnen sich unbesiegbar, schmeißen sich in ihr Blech und reiten in den Kampf. Zu früh gefreut: Bei Tannenberg werden 10.000 arrogant strahlende Ritter vernichtend geschlagen. In der denkwürdigen Schlacht kommt auch Ordens-Hochmeister Konrad von Jungingen ums Leben - das Land der Teutonen liegt nackt und bloß vor den Aggressoren aus dem Osten. Das ist die Stunde des Heinrich von Plauen.
Mit einem Häuflein Getreuer reitet er im Sturmschritt zurück zur wehrlosen Marienburg, dem prachtvollen Hauptsitz des Ordens südlich von Danzig. Nur acht Tage bleiben den verwegenen Rittern, bis der übermächtige Feind vor den Toren stehen wird. Heinrich lässt die Stadt niederbrennen, um den Angreifern jede Deckung zu nehmen, reißt die Brücke über die Nogat ab und schafft alle greifbaren Vorräte und Leute in die Burg. Viel ist es nicht. Doch der Vogtländer beweist auch militärisches Geschick. Müde, ausgehungert und von Seuchen geplagt räumen die Angreifer schließlich das Feld und die stolze Festung, das heutige Weltkulturerbe, ist gerettet. Noch während der Belagerung wird Heinrich von Plauen zum neuen Hochmeister ernannt. Und am 1. Februar 1411 schließt er den Frieden von Thorn, bei dem der geschwächte Orden überraschend gut wegkommt.
Doch Glück und Frieden halten nicht lang. Zwar will der konservative Katholik von Plauen die alte Machtstellung wieder aufbauen, aber die mittlerweile gut situierten Ordensritter halten nichts von der reformatorischen Politik des Heinrich. Der nämlich fordert - den traditionellen Idealen der Bruderschaft folgend - den persönlichen Besitz aller ein, um Kriegsschulden und Söldnerheere bezahlen zu können. Denn zugleich drängt der 27. Chef der Teutonen und 11. Herr der Marienburg auf einen raschen Rückschlag gen Osten. Dazu holt er unter anderem 50 Armbrustschützen aus Plauen, und die zähen Vogtländer werden in alten Berichten als besonders tapfere Kämpfer gerühmt.
Es kommt, wie es kommen muss. Allein gegen die Welt hat der zunehmend verbitterte, grimmige Regent auf seinem Weg vom absolutistischen zum konstitutionellen Staat keine Chance: Polen und Ungarn verbünden sich gegen ihn, der aufstrebende Bürgerstand will sich ohnehin nichts mehr sagen lassen und die Gefolgsleute intrigieren, was das Zeug hält - nicht einmal sein Bruder hält ihm die Stange. Schon 1413 wird Heinrich von Plauen abgesetzt und wenig später in Lochstädt eingekerkert, sein Marschall Michael Küchmeister zum neuen Hochmeister gewählt. Am 9. November 1429 stirbt Heinrich von Plauen, der im Herzen wohl immer aufrecht geblieben ist. Und dort lebt er auch bei vielen Menschen über die Jahrhunderte weiter.
Besonders beliebt ist er natürlich in Marienburg (polnisch: Malbork). Dort wurde erst im Juli 2003 vor 10.000 Besuchern die große Schlacht nachgespielt, hinterher gab es Heinrich-von-Plauen-Gedenkmünzen zu kaufen. Zu besichtigen ist auch der die Nord- und Ostflanken der Burg sichernde Plauen-Wall, den ihr Retter Heinrich errichten ließ. Und in der Nachbarstadt Elbing wurden die Kinder zeitweilig sogar in eine Heinrich-von-Plauen-Schule geschickt. Es ist also durchaus okay, heute abend im "Heinrich's" ein Glas auf den ollen Recken zu heben.
Prost!
Markus Schneider (Autor)
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